Mittwoch, 18. September 2013

E-Mails so vertraulich wie Postkarten? Schön wär's!

Unverschlüsselte E-Mails seien so sicher wie Postkarten, heißt es in letzter Zeit oft. Wer sie benutze, brauche sich über Überwachung und Verletzung seiner Privatsphäre nicht wundern. Aber stimmt das?

E-Mail-VerschlüsselungNach den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden bezüglich der Aktivitäten der amerikanischen und britischen Geheimdienste National Security Agency (NSA) und Government Communications Headquarters (GCHQ), heißt es von manchen Seiten lapidar, unverschlüsselte E-Mails seien schon immer nur so sicher wie Postkarten gewesen. Und wer die beiden - Postkarte oder unverschlüsselte E-Mail - benutze, habe mehr oder weniger selbst Schuld, wenn er oder sie ausspioniert würde.

Wer seine Privatsphäre vor Kriminellen, Geheimdiensten und anderen im Internet schützen wolle, müsse eben E-Mails verschlüsseln - empfahl auch der Minister, der ein Supergrundrecht erfand, statt sich für den Schutz unserer tatsächlichen Grundrechte stark zu machen.

Abgesehen davon, dass man auch bei der Anwendung von Verschlüsselungstechniken nicht vor Ausspionierung und Überwachung sicher ist, fuchst mich diese Gleichsetzung von unverschlüsselten E-Mails mit Postkarten und der gleichzeitigen Unterstellung, beider Verwendung sei schon immer leichtsinnig bis dumm gewesen.

Von wem konnten denn Postkarten vor der Digitalisierung gelesen werden? Vom Briefkastenleerer, dem Sortierpersonal bei der Post, dem eigenen Briefträger und dem eigenen Müllmann - die ja alle nichts Besseres zu tun hatten, als unsere Postkarten zu lesen, die man oft selbst nicht entziffern konnte. Schon der neugierige Nachbar, ein Privatdetektiv, die Mafia oder ein Geheimdienst hätten eine gewisse kriminelle/spezielle Energie aufwenden müssen, um die Postkarten aus dem Briefkasten zu fischen und zu lesen - und er oder sie hätte nicht gewusst, von wem sie kommen, weil Postkarten üblicherweise keinen Absender enthalten. Und der einzige zusätzliche Schritt, den verschlossene Briefe gegenüber Postkarten nötig machen, ist, dass man Briefumschläge über Wasserdampf öffnen und nach dem Lesen wieder verschließen muss.

Wenn unverschlüsselte E-Mails so sicher wie Postkarten wären, dann wären sie für die normale Alltagskommunikation bei uns ausreichend privat! Zumindest wenn man davon ausgeht, dass (bis jetzt nach meinem Kenntnisstand in Deutschland) auch moderne Postsortiermaschinen nicht heimlich Daten speichern und irgendjemandem gewollt oder ungewollt zugänglich machen, der sie dann mit Algorithmen durchsucht. Spione interessieren sich nicht für Postkarten, sagt auch Peter Welchering in seinem Artikel "Die digitale Tarnkappe - eine Bauanleitung" dem Sinn nach (alle Quellen und Links unten).

Anders sieht das bei Informationen in digitaler Form, wie beispielsweise bei E-Mails, aus. Es war zwar immer klar, dass jemand mit den nötigen Kenntnissen und der notwendigen kriminellen/speziellen Energie theoretisch fremde Datenströme und E-Mails auslesen kann. Doch warum sollte das jemand tun? Als normaler Bürger musste man sich bisher keine Sorgen machen, dass Postkarten ausgelesen, als Daten gespeichert und diese nach Begriffen und Mustern durchsucht werden würden. Man geriet nicht in den Fokus von Fahndern, wenn man eine Postkarte erhielt, auf der zufällig ein Wort verwendet wurde, das ein Terrorist als Codewort benutzt hatte, dessen Cousine ein Meerschweinchen mit dem gleichen Namen wie das eigene hat. Postkarten zu versenden oder zu erhalten, war ziemlich ungefährlich, außer man schrieb in Leuchtschrift darauf: "Die PIN für mein Bankkonto Nr. 123456 beim Kreditinstitut in Kleinkleckersdorf lautet 98165432".

Für die meisten von uns war es daher überraschend, dank Edward Snowden zu erfahren, dass unsere E-Mails und andere (Internet-) Aktivitäten mehr oder weniger flächendeckend von Nachrichtendiensten befreundeter Staaten ausgelesen, gespeichert und mit Algorithmen ausgewertet werden, und dass unsere Regierung das offensichtlich in Ordnung findet und die Hände in den Schoß legt, weil es ja nicht in Deutschland, sondern auf Servern im Ausland passiert. Endlich kein Ärger mehr mit der Vorratsdatenspeicherung, denkt sich vielleicht der ein oder andere Politiker, da man sich die Hände ja nicht selbst schmutzig machen muss. 

Die empfohlene E-Mail-Verschlüsselung ändert nichts daran, dass unser Recht auf Privatsphäre ausgehebelt wird, ganz abgesehen davon, dass angesichts der ganzen Überwachungswut und -duldung auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die Pressefreiheit und die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland in Gefahr sind.

Die Empfehlung, E-Mails zu verschlüsseln, wiegt nur in falscher Sicherheit, denn
  • Verschlüsselungen können geknackt werden.
    Manche Verschlüsselungen sind bereits entschlüsselbar und wir wissen es nur nicht, bei anderen ist es nur eine Frage der Zeit. 
  • Trojaner, die leicht über Software auf den Rechner gelangen können, lesen mit, bevor verschlüsselt wird. 
  • Amerikanische Unternehmen können von ihren Behörden zur Herausgabe geheimer Schlüssel gezwungen werden (wenn sie nicht sowieso mit ihnen kooperieren (müssen)). 
Abgesehen davon, dass man mit der Verschlüsselung nur die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Für mich stellt sich bei dem Thema vor allem die Vertrauensfrage: Soll man wirklich glauben, dass das Internet für unsere Regierung ein Neuland ist oder freut sie sich über die vom deutschen Gesetz freie Zone, in der man die Daten der eigenen Bürger von Dritten sammeln, auf Vorrat speichern und auswerten lassen kann?

Quellen und Interessantes 

Donnerstag, 11. Juli 2013

Plausible Deniability - glaubhafte Abstreitbarkeit

Zum ersten Mal habe ich von dem Begriff "Plausible Deniability" im Presseclub "Vorsicht Freund hört mit" am 7. Juli 2013 gehört, bei dem es um die intensiven Abhöraktivitäten von Geheimdiensten wie der National Security Agency (NSA) und der Government Communications Headquarters (GCHQ) sowie weitere Offenlegungen, die wir dem Whistleblower Edward Snowden zu verdanken haben, ging.

"Plausible Deniability" sei ein Konzept, das die plausible Leugbarkeit ermöglicht. Nein, ich kannte Prism nicht, kann man beispielsweise sagen, wenn einem der Projektname Prism wohlweislich nicht mitgeteilt wurde. Das bedeutet jedoch nicht, dass man nichts von einer flächendeckenden Ausspionierung von Daten wusste oder von dem, was der ausländische Geheimdienst sonst so tat. Es wurde vielleicht in Gesprächen ein anderer Name, z. B. ein Codename, verwendet, oder man fragte bewusst nicht nach, um sich später in eine Wolke der Unwissenheit hüllen zu können.

Als ich recherchierte, stellte ich fest, dass "Plausible Deniability" tatsächlich gar nichts Neues ist, bei Wikipedia gibt es längliche Ausführungen zur "Glaubhaften Abstreitbarket". "Plausible Deniability" ist ein Konzept der "Spurenvermeidung" in der Politik, die in den USA in den 1950er Jahren entwickelt wurde: Führungsstrukturen und Befehlsketten werden so gestaltet, dass sie bei Bedarf gut abgestritten werden können, so dass beispielsweise ein Politiker nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.

Wenn ich nun lese, dass die Kanzlerin bei Fragen der Wochenzeitung DIE ZEIT zum Thema Prism gesagt habe, sie habe vom US-Spionageprogramm "durch die aktuelle Berichterstattung Kenntnis genommen" und auf die Verantwortung des Kanzleramtsministers für Geheimdienste hinweist, erinnerte das doch unwillkürlich an das Konzept "Plausible Deniability" und irgendwie auch an Bill Clinton's "I did not have sexual relations with that woman". Hat sie möglicherweise nur den Namen Prism nicht gekannt?

Wenn ich desweiteren lese, dass Bundesinnenminister Friedrich sich dahingehend äußert, dass das deutsche Rechtssystem nicht betroffen sei, wenn Datenströme über ausländische Server laufen und die Daten deutscher Bürger und Unternehmen außerhalb von deutschem Boden ausspioniert werden, dann sieht er offensichtlich nicht den Gesprächsbedarf mit ausländischen Regierungen zu eben diesem international zu behandelnden Thema, nicht den Diskussionsbedarf mit eigenen Bürgern und nicht die Notwendigkeit, Bürger-/Menschenrechte, Wirtschaft (Stichwort Industriespionage) und Demokratie zu schützen. Die öffentlich geäußerte Empörung der amtierenden Regierungspolitiker anlässlich der Offenlegungen von Edward Snowden beziehen sich meines Wissens nur auf die verwanzten Botschaften und EU-Gebäude, nicht auf die Ausspionierung der ganz normalen Menschen.

Das ist nicht gut. Die zunehmende Digitalisierung schafft immer neue Möglichkeiten, uns zu überwachen. Es darf aber nicht sein, dass das angebliche "Neuland" zum rechtsfreien Raum für die Politik wird, die die Verantwortung abschiebt, weil Verbindungen und Server außerhalb von deutschem Boden liegen und fremde Geheimdienste die Drecksarbeit erledigen, während man selbst seine Hände in Unschuld wäscht. Unsere Regierung muss offenlegen, was sie wann wusste und billigend in Kauf nahm. Wir müssen sicher sein, dass nicht mit Hilfe von Digitalisierung, länderübergreifenden Netzen und "Plausible Deniability" mal eben Bürger- und Menschenrechte und die Demokratie ausgehebelt werden können.
Anzeige


Quellen und weiterführende Informationen

Mittwoch, 10. Juli 2013

XING: Mitgliederprofil wird erneuert

Man darf gespannt sein: XING, das soziale Netzwerk für berufliche und private Kontakte mit über 13 Millionen Mitgliedern, kündigt eine Rundumerneuerung des Mitgliederprofils an.

Anzeige


Was mich an sozialen Netzwerken nervt, sind die Umstellungen. Schon wieder, denke ich, weil ich den Zeitaufwand sehe, den mich diese Umstellung kosten wird. Besonders lästig finde ich in diesem Zusammenhang Facebook und Google+. Gerade hat man alles schön neu gestaltet, neue Bilder hochgeladen, die Vorstellungstexte überarbeitet, die Privatsphäre-Einstellungen angepasst usw., kommt schon das nächste Update, Bilder und Spalten werden größer oder kleiner, Reiter und Darstellungsmöglichkeiten werden eingeführt oder abgeschafft, und schon muss man (als Profi mit mehreren Pages) wieder viele Stunden Arbeitszeit investieren.

XING ist in der Hinsicht bisher weniger nervig gewesen und so sehe ich dem Update des Mitgliederprofils zum zehnjährigen Jubiläum mit Spannung entgegen. Manche hatten XING nach dem Erfolg der großen amerikanischen Netzwerke Facebook, Twitter und Google+ ja schon völlig abgeschrieben, obwohl die stetig steigenden Mitgliederzahlen das Gegenteil sagen. Andere finden XING langweilig, weil es doch eher um professionelle Vernetzung geht. Doch oft muss man sich bei der Kritik an die eigene Nase fassen, man hat vielleicht - so wie ich - irgendwann aufgehört, die dort gebotenen Möglichkeiten wie Foren und Veranstaltungen zu nutzen, weil einfach die Zeit nicht mehr für alle Netzwerke gereicht hat.

Da mir XING (früher OpenBC für Open Business Community) in einer Phase beruflicher Neuorientierung eine wichtige "Entscheidungsfindungs-Hilfe" und "Vernetzungs-Übungsplattform" war und weil mich über XING schon einige sehr gute Werbekunden und Auftraggeber gefunden haben, möchte ich XING nicht missen. Und wer weiß, vielleicht animiert mich das Update, mich dort wieder stärker einzubringen. Nach den jüngsten Geheimdienst-Skandalen und Whistleblower-Offenlegungen - z. B. sollen lt. Edward Snowden die Großkonzerne Google, Apple, Microsoft und Facebook dem amerikanischen Nachrichtendienst NSA direkten Zugriff auf das Back-End gegeben haben - will ich XING sowieso eine neue Chance geben. Vielleicht ist ein deutsches Unternehmen bei der Ausspionierung der Nutzer weniger kooperativ - allerdings ist mein Enthusiasmus in dieser Hinsicht nicht mehr allzu groß.

Das neu gestaltete XING-Mitgliederprofil soll wesentlich umfassendere und individuellere Möglichkeiten der professionellen Selbstdarstellung in frischem Design bieten, was besonders Freiberufler, Kreative, Studenten und viele andere Vernetzungswillige, Auftrag- und Jobsuchende freuen dürfte. Es soll u. a. auch die Möglichkeit bieten, Beiträge aus Foren und aus Twitter im Profil anzuzeigen. Auch die Jobsuche bzw. das Recruiting sollen vereinfacht werden, wobei genau konfiguriert werden können soll, wem das Interesse an einem Jobwechsel angezeigt wird und wem nicht.
Die Umstellung der 13 Millionen Mitglieder soll schrittweise erfolgen und mit dem heutigen Tag beginnen. Wer es nicht erwarten kann, bis es bei ihm/ihr losgeht, kann sich vorab registrieren.

Quellen und weiterführende Informationen 
Anzeige