Freitag, 25. Mai 2012

Google's quasi-totalitäre Herrschaft

Matt Cutts ("I am the head of the webspam team at Google") fordert dazu auf, Webspam von Mitbewerbern zu melden. Da frage ich mich schon: Ist das ein Aufruf eines (welt-)marktbeherrschenden Megakonzerns an seine "Bürger" zur Denunziation anderer "Bürger"? Und an was erinnert mich das? Jedenfalls nicht an Demokratie!

Google hat eine Vormachtstellung im Suchmarkt: Laut W&V hat die Google-Suchmaschine in Deutschland einen Marktanteil von 96 %. Die Google-Suche bestimmt im Grunde, wer sichtbar ist im Internet - zumindest für die Internetnutzer, die mit einer Suchmaschine recherchieren.

Was in den Suchergebnissen gezeigt wird, hängt vom Google-eigenen Suchalgorithmus ab, den Google ständig zu verbessern sucht - angeblich nur im Sinne des Nutzers, aber die seit neuestem beobachtete Bevorzugung großer Marken könnte auch andere Interessen vermuten lassen. Jedenfalls: Auch nach gefühlten 1.000 Panda- und seit neuestem auch Penguin-Updates des Google-Algorithmus ist Google mit den Suchergebnissen auf den vorderen Plätzen nicht zufrieden. Und als Publisher und Nutzer muss ich sagen: Ja, ich auch nicht - es sind bei manchen Suchbegriffen immer noch Seiten mit kaum brauchbarem Content auf den vorderen Plätzen.

Google unterstellt nun, dass daran unlautere Suchmaschinen-Optimierungs-Methoden ("Black Hat SEO") Schuld seien, mit denen der Google-Algorithmus ausgetrickst würde. Matt Cutts, der Kopf der Google-Spam-Brigade, ruft jetzt dazu auf, Mitbewerber, die unlautere Webspam-Techniken nutzen, an Google zu melden und öffnet damit meiner Meinung nach Denunziantentum Tür und Tor. Denn was unter unlauteren Webspam-Techniken zu verstehen ist, definiert natürlich Google selbst und nicht etwa Verbraucherschutzgesetze irgendeines Landes.

Google - die ungeteilte Macht

In unserer Demokratie gibt es aus guten Gründen eine Gewaltenteilung, die die Staatsgewalt auf verschiedene Staatsorgane - Gesetzgebung (Legislative), Vollziehung (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) - verteilt, um die Macht zu begrenzen (von der vierten Gewalt, der Presse, ganz zu schweigen). Doch im Internet liegt die Macht ganz allein beim Quasi-Monopolisten. Was den Suchmarkt anbetrifft, ist das Google (zu dem übrigens auch YouTube gehört), was Social Media anbetrifft, vor allem Facebook - wobei Google ja über sein Suchmaschinen-Monopol und durch die Verknüpfung der Suche mit anderen Google-Diensten Publisher faktisch zu Google+ zwingt. In ihren Bereichen herrschen die Internetgiganten quasi totalitär - sie machen die Gesetze, verfolgen (bzw. lassen denunzieren) und bestrafen. Bei Zuwiderhandlung bzw. einer Denunziation ist die Existenz, sofern sie auf der Sichtbarkeit im Internet basierte, dahin.

Ach ja - kleine persönliche Anmerkung: Und da wundert sich Google, dass ich als tinto-Publisher nicht ausschließlich Google Adsense Werbung auf meine werbefinanzierten Webseiten und Blogs platziere und nicht noch weitere Google-Tools nutze (solche die offenlegen, wo ich wie viel verdiene), und mich noch abhängiger von Google bzw. mich vollkommen transparent mache? (Dass sie sich wundern, schließe ich aus den E-Mails, die ich immer wieder bekomme: Dass ich mein Adsense-Potenzial nicht ausschöpfe und dass ich doch dieses tolle neue Vergleichstool nutzen könnte - hab vergessen, wie es heißt).

Die Abhängigheit von Google sieht man in dieser Grafik (statistische Auswertung der Besucherquellen für tinto.de und -Projekte (Verbraucherthemen-Mix: Garten, Geld, Gesundheit, Job, Selbstverwirklichung etc.) von Ende April bis Ende Mai 2012).


Die Grafik wurde erstellt mit infogr.am

Macht Google das Internet kaputt?

Ich mag Google und ich mag Facebook - da stecken tolle Ideen und Programmierer dahinter. Ich wünschte, ich hätte solche Visionen. Aber beide Unternehmen wurden zu groß und mächtig - was man eigentlich nicht den Unternehmen vorwerfen kann, denn warum sollten sie nicht wachsen wollen? "The sky is the limit" hatte vor 15 Jahren jeder zweite als Motto in seinen Profilen bei Foren, in Messengern, Chatrooms und bei AOL stehen.

Aber speziell im Falle des Aufrufs von Google zur Denunziation fürchte ich, dass Google Unternehmen und User aus dem nicht-proprietären Internet vertreibt - direkt in die Hände des anderen Datenkraken Facebook (der natürlich nicht weniger totalitär in seinem geschlossenen Reich herrscht)!

Die einzige Möglichkeit für uns Publisher (aber auch Nutzer), eine gewisse Freiheit zu bewahren, sehe ich darin, dass sich Blog- und Webseitenbetreiber gegenseitig stärken. Ideen dazu, Meinungen und Visionen dürfen gerne in den Kommentaren gepostet werden, genauso auch Ideen, ob und wie nationale und internationale Politik die Macht der Megakonzerne einschränken sollte.

Quellen und weitere Informationen
Danke an Eric Kubitz für seine SEO-Woche: News aus der Content Marketing-Maschine, die mich auf diesen Aufruf von Google's Webspam-Chef Matt Cutts aufmerksam gemacht hat.

3 Kommentare :

  1. du hast recht. wer google adsense nutzt, begibt sich auch automatisch in eine mehr oder weniger starke "pseudo-zensur"... passt google (bzw. dem algorithmus) ein inhalt nicht, gibt's ne mail, dass man von adsense ausgesperrt wird, weil die publisher den inhalt nicht mögen könnten... war bei mir bei einem video über einen feministischen säcks-shop so. keine jugendgefährdenden dinge, nix, was man nicht auch im schaufenster sehen könnte. Musste es dann entfernen, weil ich - so doof es ist - über adsense leider am meisten einnahmen habe (und ich journalist bin).

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  2. Als Aufrechter deutscher Bürger mit Zivilcourage bin ich auch gehalten, Straftaten und Straftäter der Polizei zu melden. Warum soll das im Netz anders sein? Ist das Netz ein Freiraum für Regelbrecher?
    Gelten die Regeln des Anstands, das Urheberrecht, das Strafrecht dort nicht? Google ist doch human. Es kostet nicht gleich 1000€. Man sinkt nur nach unten in der Anzeige oder fliegt aus dem Index.

    Hunderte von Anwälten leben von Abmahnungen (je ca. 1000€) wegen Verletzungen des Urheberrechts im Internet. Das ist ok. Aber Googles Meldeoptionen nicht?

    Google ist die preisgünstige Alternative zu einer Abmahnwelle. Oder bist Du ein Abmahn-Anwalt?

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  3. Sabrinella: Es geht hier nicht um deutsche oder irgendwelche Landesgesetze, die gebrochen werden, sondern um Googles Richtlinien. Und Google ist auch nicht die Polizei. Natürlich sollte man der Polizei melden, wenn man Kinderpornografie sieht, einen Bankraub beobachtet oder wenn eine Schlägergruppe Leute in die Enge treibt oder zusammenschlägt.

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